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Viele kehrten nicht mehr in die Heimat zurück, wie z. B. Glieder der berühmten Familie Feuchtmayer, die sich in Österreich und am Bodensee niederließen. Viele gründeten auch Wessobrunner "Kolonien" und lebten in enger Gemeinschaft an den einzelnen Orten, z. B. in Landsberg, Schongau, Augsburg, München, weiter in Regensburg, Rastatt, Breslau und Berlin; noch weiter in Warschau, Petersburg und Paris. Der Stukkator Schweiger war mit seinem Vater maßgeblich mit Renovierungen in Versailles beauftragt; er heiratete in Paris und kehrte nicht mehr zurück. Viele Wessobrunner starben lungenkrank "an hektischem Fieber", da sie monatelang   unter   den  Decken  oft

 
 

Detail des Deckenstucks von Michael Wiedemann
im Refektorium des Klosters Salem
 

 
   

fensterloser Gebäude mit Wasser und feuchtem Material arbeiteten; mancher stürzte auch vom Gerüst.


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ie großen Namen der "Wessobrunner Bau- und Stukkatorenschule" sind Johann (1642-1701) und Josef (1683-1753) Schmuzer, die u. a. die Klosterkirche von Obermarchtal, die Schlosskirche Friedrichshafen, die Pfarrkirchen Pfaffenhofen und Oberammergau  sowie  den  Ausbau und Stuck der Klosterkirchen von Weingarten, Steingaden und Ettal schufen. Ebenso berühmt sind Dominikus (1685-1766) und Johann Baptist (1680-1758) Zimmermann, beide in Gaispoint bei Wessobrunn geboren. Ihnen verdanken wir den Ausbau, Stuck und Fresken u. a. im Kloster Neresheim, in der Pfarrkirche Buxheim bei Memmingen, in der Wallfahrtskirche Steinhausen, der Michaelskirche Berg am Laim, in den Schlössern Schleißheim, Nymphenburg und Amalienburg, vor allem aber ihr reifstes Werk: die herrliche Wieskirche bei Steingaden. Kunsthistoriker bezeichnen Steinhausen (1723-1733) als die Knospe, die Wies (1745-1754) aber als Blüte des Schaffens der Brüder Zimmermann. Einerseits kommt hier ihre jugendliche Vitalität, andererseits die Vergeistigung des Alters zum Ausdruck.

 

 

 
 

Stuck von Joseph Schmuzer
in der Klosterkirche Irrsee

Stukkatur spielt in Steinhausen wie in der Wies, in Weingarten wie Steingaden eine raumkünstlerisch wichtige Rolle. Da der Stuck im Dienste der Architektur stand, ergab sich in der Tradition der Wessobrunner "eine spannungsreiche, verwandtschaftliche Begegnung und Förderung zwischen Baumeistern und Stukkatoren". Ihre Werke bezeugen "einen Schulzusammenhang, eine Fortführung von Ideen, die die Rhythmisierung und Zentralisierung der barocken Kirchen anstrebten und die durch Generationen gepflegt werden", bis das reife Werk, z. B. die Wieskirche, entstand.

 
     
 

Heute  lebt  kein  Künstler  mehr  in Wessobrunn. "Nachdem das  19.  Jahrhundert  den  Barock  missachtete,  wurde selbst  in  Bayern  die  unfassbare  künstlerische Leistung der Wessobrunner Stukkatoren vergessen". In überwältigender Schönheit, Formensprache und technischer Vollendung sind uns aber ihre kostbarsten Werke erhalten geblieben.
 

Text:    Erwin Rupp
Fotos: Joachim Menge
Musik: Windsbacher Knabenchor

 

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Stuck von Johann Baptist Zimmermann
an der Orgelempore der Wallfahrtskirche Steinhausen
des Klosters Schussenried


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